Abitur und Fachhochschulabschluss als Eintrittshürde – Keine „reine Männersache“ mehr – Qualitätsanspruch
Eine Ausbildung in der Schifffahrtsbranche steht bei Schulabgängern weiterhin hoch in Kurs.
Das bestätigt Jan Theodor Schlichting, Abteilungsleiter Schifffahrt und Reiseverkehr an der Staatlichen Handelsschule Berliner Tor (HBT), auch kurz „H 18″, im Gespräch mit dem THB. Neben Schifffahrtskaufleuten werden an dieser Einrichtung auch Touristikkaufleute auf ihren Beruf vorbereitet.
Von den 203 Auszubildenden des neuen Ausbildungsjahres 2014/2015, die an der HBT ihr theoretisches Rüstzeug im Berufsbild Schifffahrtskaufmann/-frau erhalten, bringen 189 das Abitur oder die Fachhochschulreife mit. Das sind gut 93 Prozent aller Schüler, die sich aktuell auf die beiden Ausbildungszyklen 1. Februar und 1. August verteilen. „Damit bewegen wir uns, was die Einstiegsqualifikation betrifft, auf einem konstant hohen Niveau“, erklärt Schlichting.
Die hohe Eingangshürde hat durchaus ihre Berechtigung: Denn die Anforderungen in den Ausbildungsbetrieben sind sehr hoch. Mit dem hohen Abiturientenanteil liegt die Schifffahrtsbranche auch im Vergleich mit anderen Berufsbildern an der Spitze, wie auch aus dem jetzt von der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) vorgelegten „Ausbildungsreport 2013/2014″ hervorgeht. Danach bringen von den 13.196 Anfängern des Ausbildungsjahres 2013/14, die die Hamburger Berufsschulen besuchen, exakt 5028 – und damit 38,1 Prozent – das Abitur oder die Fachhochschulreife mit.
„Der Anteil der Auszubildenden mit Abitur ist bei uns an der Schule traditionell aufgrund der anspruchsvollen Ausbildung sehr hoch. Allerdings ist mit dem heutzutage breitgefächerten Angebot an Bachelorstudiengängen – teilweise auch dual – an Universitäten mittlerweile ein Konkurrenzprodukt entstanden, für das sich immer mehr Abiturienten entscheiden“, ergänzt Christian Peymann, Schulleiter an der HBT. Die Folge: „Die Anzahl von geeigneten Bewerbern, die eine traditionelle Berufsausbildung anstreben, wird durchaus abnehmen. Diese Entwicklung sollte man seitens der Unternehmen stärker als bisher in den Fokus rücken, um die Attraktivität und den Stellenwert der dualen Ausbildung auch in Zukunft zu erhalten.“
Linie hat Nase vorn bei den Ausbildungsverträgen
Bei den Vertragsabschlüssen haben aktuell die in der Linienschifffahrt tätigen Unternehmen die Nase vorn. An der H 18 haben 117 Berufsanfänger einen Arbeitsplatz in der Linie, während 86 einen Lehrvertrag mit einem Betrieb aus dem Bereich „Tramp“ abgeschlossen haben. Schlichting:„Diese Zahlen bestätigen erneut den Trend, dass die Bedeutung der Linienschifffahrt für die Ausbildung wieder zugenommen hat.“ Dass die Schifffahrtsindustrie eine „Männerbastion“ ist, gehört inzwischen klar der Vergangenheit an, auch wenn die Herren mit einem Anteil von gut 58 Prozent an den aktuellen Ausbildungsverträgen leicht die Nase vorn haben.
Die HBT setzt bei der schulischen Ausbildung weiterhin auf ein hohes Qualitätsniveau. Dabei kommt ihr auch zugute, dass dem für die Schifffahrt zuständigen, 21-köpfigen Lehrerkollegium inzwischen 13 Pädagogen angehören, in deren Lebenslauf sich eine Ausbildung zum/zur Schifffahrtskaufmann/-frau findet. Auch Jan Theodor Schlichting gehört dazu. Dieser Branchenhintergrund erleichtert nicht nur den Umgang mit den Berufsschülern, sondern hilft auch in der Beziehung zu den Ausbildungsfirmen. Schlichting weiter: „Aufgrund der schnellen Weiterentwicklungen in allen Schifffahrtsbereichen ist es notwendig, dass sowohl die Schule als Ganzes als auch die Kollegen im Einzelnen die Nähe zur betrieblichen Praxis nicht verlieren.“ Daher werde es auch im laufenden Schuljahr „wieder eine Vielzahl von Fortbildungen und Unternehmenshospitationen geben. Diese finden übrigens außerhalb der Unterrichtszeit statt. Zudem sei man derzeit dabei, mit Einrichtungen, wie zum Beispiel Dakosy oder der Hafen Hamburg Marketing (HHM), einen engen Kontakt aufzubauen mit dem Ziel, konkrete Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten und auch zu vereinbaren. Schlichting: „Wir sind immer wieder begeistert, mit welcher Offenheit unsere Kollegen von den Betrieben und Verbänden unterstützt werden.“
Firmen an direktem Kontakt zur Schule interessiert
Ein „wichtiger Baustein“ beim Bemühen um eine Qualitäts-Berufsschule ist nach Schlichtings Ansicht die Fortsetzung der Vortragsreihe „Von Praktikern für Newcomer“. Dabei kommen Firmenvertreter in die HBT und referieren über ihre Arbeit. Auf diese Weise werden vor allem jene Themen vertieft, die im laufenden Unterricht angesichts der Stofffülle nur gestreift werden können. Nutznießer dieser Vorträge sind neben den Schülern auch die Lehrer selbst. Schlichting: „Diese erfolgreiche Vortragsreihe wird auch im Frühjahr 2015 wieder stattfinden.“ Als bewährtes Instrument würden auch die Studienfahrten fortgesetzt. Dahinter steht für Schlichting ein besonders hoher Nutzwert: „Es werden auf diese Weise internationale Fachkenntnisse, interkulturelle Kompetenzen und Fremdsprachenkenntnisse gezielt weiterentwickelt.“ Es erfülle das Kollegium der H 18 mit einigem Stolz, dass „keine Berufsschule in Hamburg im vergangenen Jahr mehr Azubis einen Auslandsaufenthalt ermöglicht hat als die HBT. Und auch in diesem Jahr wollen wir möglichst vielen unserer Azubis die Möglichkeit bieten, im besten Wortsinne den Horizont zu erweitern.“ Frei nach dem Wahlspruch des großen Hamburger Reeders Albert Ballin: „Mein Feld ist die Welt.“
Englisch-Unterricht als gezielte Zusatzförderung
Den Auftakt bildet im November dieses Jahres eine mehrwöchige Studienfahrt nach Fernost, die unter der Leitung von Andreas Förster steht. Für das Frühjahr 2015 steht eine Westhafen-Reise nach Rotterdam auf dem Programm. Qualitätsausbildung erfolgt an der H 18 auch auf dem Gebiet der Sprachen. Englisch ist und bleibt die Schifffahrtssprache. Und der Unterricht in dieser Arbeitssprache genießt höchsten Stellenwert. Schlichting: „Seit Beginn dieses Schuljahres haben wir ein Angebot für Auszubildende, die einen Förderbedarf im Englischen haben.“ Diese Azubis werden in einem sogenannten „Tutorial Shipping English“ in einer kleinen Gruppe gezielt unterstützt. Leiten wird den neuen Kurs Sabine Hahn. Schlichting: „Die Kollegin hat bereits seit mehreren Jahren federführend an der Weiterentwicklung unseres Englischunterrichts in der Schifffahrt mitarbeitet. In dem von uns kostenlos angebotenen Tutorial wird es möglich sein, auf den besonderen Bedarf gezielt einzugehen.“ Die Kurse umfassen daher nicht mehr als zehn Schüler. Schlichting: „Unser Angebot geht über den verbindlichen Berufsschulunterricht hinaus und ist damit freiwillig.“
Das Schulgebäude wird modernisiert
Das Schulgebäude aus den 1950er Jahren bekommt indes auch eine gezielte Frischzellenkur. Nachdem zunächst die Kantine eingerichtet wurde, steht jetzt der Verwaltungstrakt im Fokus. Vor allem der Brandschutz wird umfassend nachgebessert. Schlichting: „Die Arbeiten liegen im Plan und werden in den kommenden Wochen abgeschlossen.“ EHA
Fotos: Eckhard-Herbert Arndt (THB)
Erschienen im THB am 19.09.2014